Fellachen
A: fallāḥūn. – E: fellahs. – F: fellahs. – R: fellachy. – S: felaes. – C: [alabo guojia de] nongmin
Peter Gran (CW)
HKWM 4, 1999, Spalten 262-270
F, von arab. fallahun (sing. fallah), Pflüger, Land-, Ackersleute, wird im modernen Arabisch gewöhnlich als Oberbegriff für ›Bauern‹ verwendet. Eine Variation des Wortstammes f-l-h in fallahun findet sich in al-filaha, Ackerbau. Wegen des großen Einflusses der arabischen Sprache auf die übrigen Sprachen der islamischen Welt reicht die Verwendung arabischer Begriffe, wie z.B ›fallahun‹, weit über den eigentlichen arabischen Sprachraum hinaus (vgl. Coult 1958; al-Chihabi 1978; al-Shihabi u.a. 1986).
Marx und Engels beschäftigten sich in unterschiedlichen Zusammenhängen mit der politischen und sozialökonomischen Geschichte der arabischen Länder. In seinen Londoner Heften 1850-1853 exzerpiert Marx u.a. Archibald Alison, The principles of population (1840), der auch Nahrungsmittelproduktion und Bevölkerungsentwicklung im arabischen Raum untersucht hatte. In Bezug auf die ägyptischen Bauern hält Marx kommentarlos fest, dass sie »afford a memorable example of the greatest excess of human misery, arising solely from the oppression of the poorer classes«, und fügt hinzu: »ignorant und lazy die husbandmen« in Ägypten (…). Ein Teil der Kowalewski-Exzerpte umfasst die Geschichte der Agrarverhältnisse in Algerien. Marx (1879/80) hält fest, dass bei den Kabylen »mit Bezug auf Ackerland« noch ein »Vorkaufsrecht der Verwandten« existiert, obwohl die »Zersetzung der Collectivform des Grundbesitzes« beschleunigt wurde »durch d. türkische Eroberung des Landes gegen Ende des 16. Jahrhunderts«. Zum anschließenden Schicksal der F bis ins 19. Jh., wo sie zwischen der Gewaltherrschaft des ägyptischen Feudaladels und den Operationen des französischen und englischen Kapitals zerrieben werden, und der Zerstörung des traditionellen Landbaus, vgl. Rosa Luxemburg, Akku.
Im Verlauf der marxistischen Theoriediskussion über die ägyptische Geschichte, in der sich die Verfechter der Existenz einer asiatischen Produktionsweise (APW) gegenüber den Verteidigern der Idee eines ägyptischen Feudalismus bzw. der tributären Produktionsweise durchsetzen konnten, rückte die Problematik der F nach vorn (’Abbas Hamid 1966; ’Awdah 1982). Im politisierten Kontext dieser Diskussion werden die F – ebenso wie die indischen ryots – assoziiert mit Passivität, Fatalismus und einer seit unvordenklichen Zeiten bestehenden rückständigen Lebensweise im Rahmen einer von sozialhistorischer Dynamik freien, statischen Gesellschaft. Entsprechend tauchen die F weder im Kontext des Übergangs zum Kapitalismus auf, noch als aktive Vertreter ihrer eigenen Rechte. In der Literatur werden durchgängig verschiedene ländliche Bevölkerungsgruppen unterschiedslos als F zusammengefasst, von Erntehelfern über lohnabhängige Landarbeiter und Wanderarbeiter bis zu Kleinbauern und ländlichen Kleinkapitalisten. Bezeichnenderweise werden auf dem Lande lebende Zigeuner, ländliche Kaufleute, Geldverleiher und kleinstädtische Handwerker sowie Sklaven nicht zu den F gerechnet. Im Zusammenhang schließlich mit der in Ägypten und anderswo angewachsenen Literatur über die Verländlichung der Städte der Dritten Welt wird bei den neuen städtischen Zuwanderern das Fehlen der urbanen Lebensweise hervorgehoben. Sie werden aber auch nicht als F bezeichnet, obwohl sie die Verbindung zum Land und zu ihrem Dorf beibehalten.
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