Formalismus, russischer
A: aš-šaklānīya ar-rūsīya. – E: formalism, Russian. – F: Formalisme russe. – R: formalizm, russkij. – S: Formalismo ruso. – C: eluosi xingshi zhuyi
Günter Mayer
HKWM 4, 1999, Spalten 635-654
F war für den ML ein Begriff der Abgrenzung: Erstens in Auseinandersetzung mit der 1914/15 entstandenen ›formalistischen‹ Theorie der Literatur und literarischen Evolution (rF) in der Mitte der 20er Jahre mit nachfolgender stalinistischer Repression und zweitens auf der Ebene der Interpretation der künstlerischen Moderne in Gestalt der Anfang/Mitte der 30er und in der zweiten Hälfte der 40er/Anfang der 50er Jahre geführten Polemik gegen den sog. ›F‹ (als künstlerische Methode) in der bürgerlichen sowie der sozialistisch orientierten ›formalistischen‹ Kunst – mit repressiven Konsequenzen bis in die 60er Jahre.
Der literaturwissenschaftliche Begriff F ist nichtmarxistischen Ursprungs und bezeichnete methodologisch etwas historisch Neues. Er hat marxistische Theoretiker zunächst produktiv herausgefordert. Mit der administrativen Durchsetzung des von Stalin dogmatisierten Leninismus seit 1929 wurde der Begriff nur noch verwendet zur pauschal-negativen Abwertung mit dem Effekt der zeitweisen Fesselung der wissenschaftlichen und künstlerischen Produktivkräfte im Herrschaftsbereich der KPen. […]
Das zentrale methodologische Problem, das in der zugespitzten Kontroverse auf beiden Seiten sich verbarg und in der gesamten Weiterentwicklung und Rezeption des rF immer wieder reflektiert worden ist, war das der Vermittlung, d.h. die Schwierigkeit einer differenzierenden Konzeptualisierung des widersprüchlichen Zusammenhangs des gesellschaftlichen Phänomens ›Literatur‹ (Kunst) mit den nicht-literarischen Phänomenen der Gesellschaft (vgl. Bürger 1979).
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