feministische Ethikdiskussion
A: niqāš nisā’ī ḥaul al-aḫlāq. – E: feminist discussion of ethics. – F: débat féministe sur l’ethique. – R: feministskaya diskussija ob ėtike. – S: discusión feminista de la ética. – C: nüxingzhuyi de lunli taolun
Saskia Wendel
HKWM 4, 1999, Spalten 305-313
Traditionell kommen Frauen in Ethik weder als Handelnde vor, noch werden ihre spezifischen Handlungskontexte berücksichtigt – es sei denn, die Existenz von Frauen hat für das Handeln von Männern unmittelbar Bedeutung, so z.B. in der Sexualmoral. Damit trägt die traditionelle Ethik bei zur Marginalisierung von Frauen, verstärkt bestehende Diskriminierungen oder bringt neue hervor (vgl. Haug 1994). Im Gegenzug geht es in der fE zum einen um die Analyse ethischer Ansätze und die Kritik ihrer impliziten oder expliziten Misogynie; zum anderen werden Alternativen diskutiert. »Die Suche nach feministischer Ethik kommt aus subversiver Hoffnung: Gibt es eine Alternative zu jetzigen Verhältnissen, die für Frauen lebbarer wäre und, indem sie dies ist, zugleich besser für alle?« (Haug 1994; vgl. Pauer-Studer 1993) Im Zentrum steht daher Herrschaftskritik. Zentrale Streitpunkte in der fE sind ihre Identifizierung mit einer weiblichen Moral, die Frage, ob diese universalistisch oder relativistisch ausgerichtet sein solle, sowie die Kontroverse um Gerechtigkeits- und Fürsorgeethik.
Auslöser der fE waren die Thesen Carol Gilligans zur weiblichen Moralentwicklung. Für sie sind moralische Haltungen und Urteile Ergebnis frühkindlicher Beziehungsmuster. Dabei kristallisieren sich unterschiedliche moralische Perspektiven bzw. Orientierungen heraus, so die der Gerechtigkeit und die der Fürsorge. Sie wurzeln in unterschiedlichen Erfahrungen von Ungleichheit und Verlassenheit (1991). Im Zentrum der Gerechtigkeitsethik stehen der Schutz vor Unterdrückung und das Ideal der Autonomie; Fürsorgeethik kreist um den Schutz vor Verlassenheit, Hilflosigkeit oder Trennung.
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