Funktionalismus

A: naz‛a waẓīfīya. – E: functionalism. – F: fonctionnalisme. – R: funkcionalizm. – S: funcionalismo. – C: gongneng zhuyi

Daniel Barben

HKWM 4, 1999, Spalten 1141-1157

Im gesellschaftstheoretischen Kontext steht F für Erklärungsmuster und Theorieansätze, die gesellschaftliche Phänomene auf Funktionen und Funktionszusammenhänge beziehen oder zurückführen. Wie dies im einzelnen unternommen wird, unterscheidet F und funktionale Analyse.

Hierbei formulierte Grund-Folge-Relationen sollen im Selbstverständnis des F nicht als kausale Determinationen aufgefasst werden. Stattdessen soll gezeigt werden, wie bestimmte Funktionen realisiert bzw. Funktionszusammenhänge reproduziert werden. Damit zielt er auf Notwendigkeiten gesellschaftlichen Lebens, statt von diesen einfach zu abstrahieren. Funktionalistisch werden diesbezügliche Argumentationen dann, wenn sie, statt die Konstitution von Funktionen und deren Realisierung zu rekonstruieren, diese voraussetzen, wenn sie also Vorbedingungen oder Vermittlungen funktionaler Zusammenhänge reduktionistisch ausblenden. Behauptet der F, zugleich Funktionsanalyse zu sein, so ist dagegen nicht jede Funktionsanalyse funktionalistisch. Während der F dem funktionsanalytischen Argument bewusst oder unbewusst, intendiert oder nicht intendiert sein kann, besteht die Probe jeder Funktionsanalyse letztlich darin, ob sie auf funktionalistische Erklärungsmuster verzichten kann. Das bedeutet, dass die Grenzziehung zwischen F und Funktionsanalyse notwendig umstritten ist – oder m.a.W., dass es keine Garantien gegen F gibt. Dabei kommt komplizierend hinzu, dass funktionalistische Argumentationen nicht per se falsch sein müssen; allerdings nehmen sie für sich einen Aussage- bzw. Wahrheitsgehalt in Anspruch, den sie in diesem Maße nicht einlösen können.

Die marxistische Tradition ist reich an wirkenden F.en einerseits, an Reflexionen des F als Problem andererseits. Letztere wurden am schärfsten von Seiten des Analytischen Marxismus vorgebracht (vgl. Elster 1982). Dementsprechend bezeichnet der F auch ein innermarxistisches Konfliktfeld, wonach funktionsanalytische Erklärungen versucht, deren funktionalistische Fallen aber vermieden werden sollten. Denn der F argumentiert reduktionistisch – was nicht nur ein theoretisches, sondern auch ein politisches Problem sein kann. Stellen sich Probleme des F in gesellschaftswissenschaftlichem Zusammenhang immer dann, wenn es um Zweck-, Leistungs- oder auch Wirkungsbeziehungen geht – zwischen Elementen, Strukturen, Prozessen auf welcher Ebene der gesellschaftlichen Gliederung auch immer –, stellen sie sich für marxistische Theorie und Politik vor allem in den Kontexten der Reproduktion der kapitalistischen Produktionsweise, des kapitalistischen Staates sowie des Zusammenhangs der verschiedenen Herrschaftsverhältnisse zwischen Klassen, Rassen und Geschlechtern. Dem F angelagerte Problematiken sind der Essenzialismus, Ökonomismus, Instrumentalismus und die Teleologie.

Ableitung, Althusser-Schule, Analyse/Synthese, Analytischer Marxismus, Anatomie, Artikulation/Gliederung, Basis, Bestimmung/Determination, Determinismus, Entwicklung, Fakten, Fiktion, Form, Fortschritt, Funktion, funktional-historische Analyse, funktionelle Erklärung, Ganzes, Ideologietheorie, Kommunikation, Kompetenz/Inkompetenz, Reduktionismus, Regulationstheorie, Reproduktion, Staatsableitungsdebatte, Staatstheorie, Struktur, Superstruktur, Überbau

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