Erziehung

A: tarbīya. – E: education. – F: éducation. – R: vospitanie. – S: educación. – C: jiaoyu 教育

Georg Auernheimer

HKWM 3, 1997, Spalten 831-839

Bemerkenswert ist, dass die Begründung des historischen Materialismus im Werk von Marx und Engels und der endgültige Bruch mit dem Edukationismus der bürgerlichen Aufklärung im gleichen Zug erfolgen. Das Engagement für die freie Entfaltung der Menschen und für die Schaffung entsprechender Bedingungen ist bestimmend für die theoretischen und empirischen Studien der frühen Phase (Marx, Ms 44; Engels, Briefe aus London, 1843; Lage). Marx und Engels schreiben hier noch als Anwälte der Expropriierten, was ihr Interesse für die Entwürfe der utopischen Sozialisten erklärt. Den Schlüsseltext für den Bruch mit edukationistischen Vorstellungen von Gesellschaftsveränderung stellen die ThF (1845) dar, nach übereinstimmender Auffassung Dokument des Übergangs zum ›reifen‹ Werk, ungeachtet aller Differenzen – etwa zwischen Althusser (1968 u. DKL) und Sève (1972) – über die Radikalität dieses Wechsels der Problemstellung. Ausgehend von der Bedeutung der »gegenständlichen Tätigkeit« der Menschen für ihre Entwicklung wird in den Thesen ein zweifacher Einwand gegen die Erziehungsstrategien der utopischen Sozialisten formuliert: der unausweichliche Zirkel bei der Schaffung eines pädagogischen Milieus (»dass die Umstände von den Menschen verändert und der Erzieher selbst erzogen werden muss«), und vor allem die notwendige Teilung der Gesellschaft in zwei Teile, »von denen der eine über Ihr [der Gesellschaft] erhaben ist« (ThF). Schlussfolgerung: »Das Zusammenfallen des Ändern[s] der Umstände und der menschlichen Tätigkeit oder Selbstveränderung kann nur als revolutionäre Praxis gefaßt und rationell verstanden werden.« (…). Dies, nicht mehr die E, ist der einzige Weg zur menschlichen Gesellschaft oder »gesellschaftlichen Menschheit« (These 10). […]

Der Kampf gegen die ideologischen Mächte (Engels), Staat und Kirche, und gegen die alte Arbeitsteilung sind Leitmotive der Beschäftigung von Marx und Engels mit Erziehungsfragen. Sie bestimmen bildungs- und sozialpolitische Forderungen in programmatischen Texten (Engels, Grundsätze des Kommunismus, 1847, Manifest, Marx, Instruktionen an die Delegierten des provisorischen Zentralrats, 1866). Das von Marx und Engels nie revidierte Ziel ist, auf eine kurze Formel gebracht, »Erziehung und Fabrikation zusammen« (Grundsätze des Kommunismus), d.h. die Verbindung der E mit produktiver Arbeit bei Ausweitung des Kinder- und Jugendarbeitsschutzes. Dabei ist die Überzeugung bestimmend, dass die Teilung der Arbeit durch den technischen Fortschritt bereits im Kapitalismus »untergraben« werde, dass nämlich planende und disponierende Tätigkeiten auch auf Seiten der Arbeiter notwendig werden, was unter der Herrschaft des Kapitals freilich nur bei Erzeugung neuer Widersprüche möglich wird (vgl. PAQ 1987). […]

Veränderte Bedingungen wurden für die Arbeiterbewegung um die Jahrhundertwende zum Anlass, die Bewusstseinsbildung der Arbeiter, das Verhältnis der Führer zur Basis und die Funktion der Intellektuellen innerhalb der Bewegung zum Diskussionsgegenstand zu machen. Damit gewinnt die pädagogische Thematik im Marxismus eine neue Dimension.

Aneignung, Arbeit, Arbeiterbewegung, Arbeitserziehung, Aufklärung, Autorität, Bedeutung, Bedürfnis, Beruf, Bewußtsein, Bildung, Disziplin, Dritte Welt, Edukationismus, Ehe, Entwicklung, Erfahrung, Existenzialismus, Familie, Feuerbach-Thesen, Führung, funktional-historische Analyse, geistige und körperliche Arbeit, Handlungsfähigkeit, ideologische Staatsapparate/repressiver Staatsapparat, Individuum, Kinderarbeit, Kinderladen, Kopf und Hand, Kritische Psychologie, Kulturhistorische Schule, Lernen, Pariser Kommune, polytechnische Erziehung, Praxis, Religion, Schule, Sinn, Staat, Subjektwissenschaft, Tätigkeit, utopischer Sozialismus, Vergegenständlichung, Vergesellschaftung, Verselbständigung

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