Entfremdung

A: iġtirāb. – E: alienation. – F: aliénation. – R: otčuždenie. – S: alienación. – C: yihua 异化

Alfred Oppolzer

HKWM 3, 1997, Spalten 460-469

Der Begriff lässt sich bis auf Aristoteles (ἀλλαγή Tausch), Seneca, Cicero und Augustinus (alienatio) zurückverfolgen, bei denen mit E entweder ökonomisch-juristische Vorgänge der Übertragung bzw. Veräußerung von Eigentum oder Zustände geistiger Entrückung und Verwirrung sowie Geisteskrankheit bezeichnet werden. Seit der Aufklärung (Rousseau: E als Veräußerung von Rechten an die Gemeinschaft im Gesellschaftsvertrag) spielt der Begriff der E nicht nur in der Philosophie (Hegel: E als notwendige Selbstentäußerung des Geistes) sondern auch in der Ökonomie (Smith: E als Ergebnis des Tausches von Gütern) eine wichtige Rolle. Marx entwickelt seine E-Konzeption vor allem in Auseinandersetzung mit der deutschen klassischen Philosophie (Hegel, Feuerbach, Hess), in der Kritik der englischen bürgerlichen Nationalökonomie (James Mill) und in der Analyse des französischen utopischen Sozialismus (Proudhon), wobei »drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus« (Lenin) deutlich werden.

Die Entwicklung der marxschen E-Konzeption korrespondiert mit der Ausarbeitung des historischen Materialismus und der Entfaltung der KrpÖ; der E-Begriff wird im Laufe der Zeit differenziert und vor allem sozioökonomisch konkretisiert. Auch wenn anstelle des Begriffs E im Spätwerk vielfach andere Begriffe wie Verdinglichung, Vergegenständlichung oder Verselbständigung o.ä. gebraucht werden und auch wenn Marx und Engels verschiedentlich gegen idealistisch vorgeprägte Begriffe polemisieren (»›E‹, um den Philosophen verständlich zu bleiben«; DI), kann keineswegs gefolgert werden, dass die E-Konzeption in der Entwicklung vom ›jungen‹ zum ›alten‹ bzw. ›reifen‹ Marx einen Bruch aufweist oder etwa an Bedeutung verliert (vgl. dagegen Althusser, FM). Mit der Entfaltung der historisch-materialistischen Theorie wird auch die E-Konzeption weiterentwickelt. […] »E« ist wie kaum ein anderer Begriff über den Marxismus hinaus von den unterschiedlichsten Positionen in Philosophie, Anthropologie, Soziologie und Psychologie rezipiert und adaptiert worden, wobei sich um diese Kategorie viele nicht nur wissenschaftliche, sondern auch politische Kontroversen entwickelten.

Aneignung, Arbeit, Assoziation, Aufklärung, Charaktermaske, Emanzipation, Entäußerung, Erscheinung, Fetischcharakter der Ware, Gattungsfragen, Gesellschaftsvertrag, Gleichgültigkeit, Lohnarbeit, Menschenbild, Mystifikation, Personifikation, Philosophie, Religion, Spaltung, Tausch, Trennung, Verdinglichung, Wesen des Menschen, Wesen/Erscheinung, Vergegenständlichung, Verselbständigung, Warenfetischismus, Zins

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