doppelte Militanz
A: niḍal unthāwī muzdauwidj. – E: double militancy. – F: double militantisme. – R: udvoennaja voinstvennost'. – S: doble militancia. – C: shuangchong douzheng
Susanne Lettow, Ariane Brenssell
HKWM 2, 1995, Spalten 822-825
Anfang der 1970er Jahre erkannten viele der in linken Organisationen engagierten Frauen, daß im sozialistischen Projekt die Befreiung der Frauen nicht gut aufgehoben war. Da es ihnen nicht gelang, den Kampf gegen Frauenunterdrückung als eigenständige Dimension sozialistischer Politik zu verankern, sahen sie schließlich die Notwendigkeit, »zweierlei Kämpfe zu führen: einen direkt gegen das Kapital, den anderen gegen die patriarchale Kultur und ihre Folgen, die sich wiederum das Kapital zunutze gemacht und zynisch ausgebeutet hat« (Ravaioli 1977). Diese Praxis nannten italienische Feministinnen doppelte Militanz.
Die Kritik feministischer Sozialistinnen richtete sich gegen den monolithischen Herrschaftsbegriff des Marxismus der II. und III. Internationale. Dieser faßt den Klassenantagonismus als Grundverhältnis sozialer Herrschaft, von dem alle anderen Herrschaftsverhältnisse sich ableiten. Das Privateigentum galt in dieser marxistischen Tradition als »die letzte und tiefste Wurzel der Vorrechtsstellung des Mannes vor dem Weibe« (Zetkin 1920), die »Frauenfrage« wurde zum ›Nebenwiderspruch‹. Gegen diesen Reduktionismus verwiesen Feministinnen auf die Notwendigkeit, die Spezifik patriarchaler Unterdrückungsverhältnisse zu erkennen und eigenständige Kämpfe gegen die vielfältigen Formen männlicher Macht und Herrschaft zu führen. Dies bedeutete nicht nur einen Angriff auf den alltäglichen Sexismus von Männern in den Organisationen, sondern zugleich eine Herausforderung an das herkömmliche Verständnis von Politik. Die Spaltung von »privat« und »öffentlich« wurde als patriarchalisch skandalisiert, da sich gerade im Privaten, das infolge dieser Trennung schon immer jenseits der Politik war, patriarchalische Herrschaft besonders stark manifestiert. »Männliche« Politikformen, die wie das Konzept des Berufsrevolutionärs auf der Ausgrenzung des Subjektiven und Privaten basierten und so die Unterordnung der Frauen reproduzierten, wurden in Frage gestellt. Mit dem Anspruch »jede von uns ist Masse und Avantgarde zugleich« (Ravera 1977) klagten Feministinnen neue Formen politischer Praxis ein.
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