Horror

A: al-faza‛. – E: horror. – F: horreur. – R: otvraščenie. – S: horror. – C: kongbu 恐怖

Günter Giesenfeld, Luca Nutarelli (PJ)

HKWM 6/I, 2004, Spalten 529-536

Seit je wird das kollektive Imaginäre von Nachtgestalten heimgesucht, die teils unbegriffener Natur, teils menschengemachter Kultur entspringen. Die Regeln, die bestimmen, welche Tiere gegessen werden dürfen und welche »euch ein Greuel sein« sollen (…), verweisen auf letzteres: Was entschiedenen Abscheu auslösen soll, ist ein kulturell Konstituiertes. Was Abwehr provoziert, ist zugleich lustbesetzt: H ist folglich »eine Mischung von Schaudern, Achtung und Freude«, angesichts bestimmter Objekte oder an gewissen Orten (Encyclopédie, Stichwort »horreur«). Auch Freud hat diesen Doppelcharakter hervorgehoben, indem er das »Unheimliche« als das »ehemals Heimische, Altvertraute« fasste, wobei die Vorsilbe ›un‹ »die Marke der Verdrängung« ist – Symptom dessen, dass etwas im Verborgenen gehalten werden muss, das wiederbelebt zu werden droht (GW 12; SA 4).

»Nicht nur das vorige Jahrhundert leistete Erkleckliches im Lesegenuss von Schauern bei behaglicher Lampe.« (Bloch, PH) Es ist ein »Mischaffekt, ja Mischgegenstand, der im Schaudern wirkt«, so dass die »Requisiten des Nachtgrauens […] voll verhängter Lust« sind (ebd.). Zwar hat die Glühbirne »die Anfechtungen des Nachtgrauens weit gründlicher geheilt als etwa Voltaire«, aber die Technik, die den »Klabautermann […] obdachlos« gemacht hat, hat »das ›neue Mittelalter‹ nicht verhindert […]: ein SA-Überfall zur Nacht nimmt es mit dem besten Grauen auf« (1935). Solche »Grauenwelt«, die »das Infernalische aus dem menschlichen Abgrund selber« ist (…), lässt keinen Mischaffekt mehr zu. Der »historische Materialist« kann den Triumphzug der Sieger, in dem die »Kulturgüter« als Beute mitgeführt werden, »nicht ohne Grauen bedenken«; die einzig ihm angemessene Haltung ist die des »distanzierten Betrachters« (Benjamin, GS 1.2).

Angst/Furcht, Ästhetik, Aufklärung, Charaktermaske, Einfühlung, Faszination, Fiktion, Film, Filmmusik, Gespenst, Hollywood, Identifikation, Irrationalismus, Kulturindustrie, Lachen, Moloch, Mythos, Popularliteratur, Rationalismus, Religion, Schein, Unbewusstes, Zerstreuung

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