Moloch
A: mūlūḫ. – E: Moloch. – F: Moloch. – R: Moloch. – S: Moloch. – C: móluòkè 摩洛克
Bastiaan Wielenga, Wolfgang Fritz Haug
HKWM 9/II, 2024, Spalten 1278-1289
Der Ausdruck M entstammt der religiösen Umwelt mediterraner Kulte, in denen göttlichen Mächten Menschenopfer dargebracht wurden. Marx benutzt ihn sinnbildlich zur Charakterisierung der allumfassenden, Leben verschlingenden Macht zum einen des Geldfetischs, zum anderen der kapitalistischen Industrie und schließlich des Finanzkapitals. Der religiöse Ursprung ermöglicht ihm, zwischen den Sprachen wissenschaftlicher Analyse und radikaler prophetischer Kritik hin und her zu wechseln. Zusammen mit der Bezeichnung Mammon gehört M in den Zusammenhang seiner Analysen des Fetischcharakters der Ware, des Geldes und des Kapitals. Die Anspielungen auf die jüdisch-christliche Tradition dienen u.a. dazu, die bürgerliche Gesellschaft mit ihren eigenen kritischen Maßstäben zu messen. Für den jungen Jürgen Habermas dient das M-Motiv für einen eher konservativ-kulturkritischen Blick auf das, was er im deutschen Nachkriegswesten als »gefräßige Ziellosigkeit der technischen Perfektion« (1953/1954, 263) anprangert: »Die Hierarchie der Zwecke kommt erst in Fluss, wenn wir das Gesicht der Dinge wieder entdecken. Der M der Technik ist M nur so lange, wie ihm das feurige Maul mit den Opfern gestopft wird, die er fordert«, wobei Habermas als ›Opfer‹ nur die Täter in Gestalt ihrer »Bigotterie der technischen Perfektion und gläubigen Unterwerfung unter die Autorität der totalen Mittel« (ebd.) benennt.
In der Epoche des italienischen Faschismus, der Inkubation des Nazismus in Deutschland und der Stalinisierung der Sowjetunion hat v.a. der protestantische Theologe und Religionsphilosoph Paul Tillich für den religiösen Sozialismus das M-Bild im Rahmen einer dialektischen Theorie des Dämonischen zum Begriff ausgearbeitet. Dieser wurde für die Frankfurter Schule und die Befreiungstheologie wichtig, zumal er – im Sinne der prophetischen Linie des Judentums – staatliche und staatsartige Mächte in die M-Kritik einbezieht. Doch es ist Ernst Bloch, der in seinem 1968 erschienenen Atheismus im Christentum, beim »frühesten Propheten, Amos«, anhebend, das »ehedem Molochhafte« (AiC, 21) nicht nur in aller ausbeuterischen Herrschaft, sondern im Herzen der christlich-theologischen Opfertodlehre aufweist.
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