Bucharinismus
A: madhhab Bucharin, būkhārīnīya. – E: Bucharinism. – F: Boukharinisme. – R: Bucharinstvo. – S: Bujarinismo. – C: Buhalin zhuyi
Theodor Bergmann
HKWM 2, 1995, Spalten 358-363
Ab 1925 Bezeichnung für eine lose Gruppe junger Marxisten, die bei Nikolai Bucharin (1888-1938) marxistische Gesellschaftswissenschaften gelernt hatten, besonders viele Studenten der Roten Professur. Isaac Deutscher (1963) spricht von Bucharinisten als einer Gruppierung der politischen Freunde Bucharins. Ab etwa 1929 benutzt die Stalin-Fraktion in der KPdSU und in der Komintern B als Schimpfwort. Stalin nennt die (inexistente) Bucharin-Fraktion »die unangenehmste und erbärmlichste aller fraktionellen Gruppen, die wir in der Partei gehabt haben« (zit.n. Löwy 1969). 1938 wird Bucharin im dritten der Moskauer Schauprozesse zusammen mit 20 anderen alten Bolschewiki als einer der Führer eines »Blockes der Rechten und Trotzkisten« auf Geheiß Stalins zum Tode verurteilt und im März 1938 hingerichtet. Die Anklage habe, so vermutete August Thalheimer, wohl darauf spekuliert, daß die jüngere Generation in der SU Bucharin nicht mehr kannte. »Wer ihn kennt, weiß Bescheid« (über die Unsinnigkeit der Anklage). Nach Stalins Tod versucht Chruschtschow mehrmals, Bucharin zu rehabilitieren, kann sich aber nicht durchsetzen. Erst im Zuge der Beseitigung der weißen Flecken in der eigenen Geschichte, bereitet sich in der SU ab 1986 eine neue Rezeption vor. Der große Revolutionär und marxistische Theoretiker wird von Gorbatschow im Februar 1988 juristisch und politisch rehabilitiert und posthum wieder in die AdW aufgenommen. Inzwischen dient B zur zusammenfassenden Bezeichnung der Beiträge Bucharins zur Theorie des marxistischen Sozialismus und zum Aufbau des Sozialismus in der SU.
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