bildende Kunst
A: al-funūn al-tashktīya. – E: fine arts. – F: beaux arts. – R: izobrazitel'nye iskusstva. – S: bellas artes. – C: zaoxing yishu
Norbert Schneider
HKWM 2, 1995, Spalten 240-245
Wenn bei Marx und Engels von Kunst die Rede ist, handelt es sich in der Regel um den Sammelbegriff für verschiedene Formen ästhetischer Produktion. Ihr bevorzugtes Paradigma ist die Literatur, an der Fragen wie die Zugehörigkeit zum Überbau, realistische Gestaltung, Ideengehalt und Weltanschauung sowie das Determinationsproblem abgehandelt werden (…); die bK (Malerei, Plastik, Graphik, Kunsthandwerk) wird seltener und meist im Zusammenhang der Erörterung individueller handwerklicher Fähigkeiten vor dem Hintergrund einer Produktionsweise oder ökonomischen Gesellschaftsformation thematisch. So halten sie der »Einbildung« von Stirner, »Raffael habe seine Gemälde unabhängig von der zu seiner Zeit in Rom bestehenden Teilung der Arbeit hervorgebracht«, entgegen, daß dieser Künstler »so gut wie jeder andre« bedingt sei durch »die technischen Fortschritte der Kunst, die vor ihm gemacht waren, durch die Organisation der Gesellschaft und die Teilung der Arbeit in seiner Lokalität und […] in allen Ländern, mit denen seine Lokalität in Verkehr stand. Ob ein Individuum wie Raffael sein Talent entwickelt, hängt ganz von der Nachfrage ab, die wieder von der Teilung der Arbeit und den daraus hervorgegangenen Bildungsverhältnissen der Menschen abhängt.« (DI).
Aus dieser Äußerung, die implizit eine Theorie der Lokalstile enthält, wird ablesbar, daß bK auch als prototypisches Exemplum für die Bestimmung individueller Fähigkeiten, für Originalität und Talent dient. Liegen hier generalisierbare Ansätze zu einer marxistischen Theorie der Persönlichkeit und Subjektivität, so ist damit doch auch in nuce ein Erklärungsmodell geliefert, welches der idealistischen Genieästhetik mit ihrer Vorstellung der Nichtrückführbarkeit künstlerischer Sonderleistungen die These entgegenhält, die »exklusive Konzentration des künstlerischen Talents in Einzelnen und seine damit zusammenhängende Unterdrückung in der großen Masse« sei »Folge der Teilung der Arbeit« (…). »Bei einer kommunistischen Organisation der Gesellschaft fällt jedenfalls fort die Subsumtion des Künstlers unter die lokale und nationale Borniertheit, die rein aus der Teilung der Arbeit hervorgeht, und die Subsumtion des Individuums unter diese bestimmte Kunst«; in ihr »gibt es keine Maler, sondern höchstens Menschen, die unter Anderm auch malen« (…). […]
Anders als die meisten marxistischen Ästhetiker, die wie Plechanow, Mehring oder Lukács ihre Thesen vorwiegend an der Literatur exemplifizieren, hat Bloch in seinem Prinzip Hoffnung der bK – wohl wegen ihrer Bildhaftigkeit, die sie mit Traum und Tagtraum verbindet – viel Platz eingeräumt.
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