Naturschutz
A: ḥimāyat aṭ-ṭabīʽa. – E: protection of nature. – F: protection de la nature. – R: ochrana prirody. – S: protección de la naturaleza. – C: zìrán bǎohù 自然保护
Christel Buchinger
HKWM 9/II, 2024, Spalten 2223-2238
Seit dem 18. Jh. fressen sich die kapitalistische Industrie, die Städte, Straßen und Eisenbahnen unaufhaltsam in die Landschaft, wird die Erde aufgerissen für den Bergbau, Wälder weichen landwirtschaftlichen Flächen, Luft und Wasser werden in enormem Umfang verschmutzt. Diese Veränderungen vollziehen sich nicht allmählich, sondern in rasendem Tempo und für die Menschen augenfällig. Sie sind Teil der (historischen) Entfaltung einer auf maximale Kapitalverwertung zielenden Wirtschaftsweise. Engels beschreibt schon 1839 in seinen Briefen aus dem Wuppertal die »jämmerliche Erscheinung« der Wupper, die »träg und verschlammt« ihre »purpurnen Wogen zwischen rauchigen Fabrikgebäuden und garnbedeckten Bleichen hindurch« ergießt (1/413). Auch Marx äußert sich früh (1843) zu der »wirklichen Verachtung«, der »praktischen Herabwürdigung der Natur«, welche »unter der Herrschaft des Privateigentums und des Geldes« stattfindet (Judenfrage, 1/375), wobei für ihn klar ist, dass der Mensch nicht nur »Teil der Natur« (Ms 44, 40/516) ist, sondern dass der »Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur« eine »ewige Naturnotwendigkeit« (K I, 23/57) bleibt und die anzustrebende »Gesellschaft […] die vollendete Wesenseinheit des Menschen mit der Natur, die wahre Resurrektion der Natur, der durchgeführte Naturalismus des Menschen und der durchgeführte Humanismus der Natur« ist (40/538).
Mit der seit den 1970er Jahren entwickelten Begrifflichkeit könnte man den Ansatz von Marx und Engels als ökologisch bezeichnen. Den Schutz der Natur, wie er von den Naturschützern vertreten wird, thematisieren sie nicht. Zeitgenössische Naturverklärungen verspotten beide als »christlich-germanisch-patriarchalische Naturfaselei« (1850, 7/202). Der Sache nach fügt sich N aber ihrem Ansatz einer rationellen Gestaltung des Mensch-Natur-Verhältnisses, wenn es bei Marx heißt, dass »alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen […] nicht Eigentümer der Erde [sind]. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen« (K III, 25/784) – eine Forderung nach einer generationengerechten, d.h. nachhaltigen Wirtschaftsweise, wie sie später auf ähnliche Weise im sog. Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung formuliert wird (WCED 1987, 46).
Besonders der konservierende N scheitert am Widerspruch zwischen den zur globalen Vorherrschaft gelangten kapitalistischen Naturverhältnissen und den Prozessen natürlicher Regeneration, deren Störung planetarische Ausmaße angenommen hat und für die Menschheit existenzbedrohend geworden ist. Für »die Versöhnung der Menschheit mit der Natur und mit sich selbst« ist »der große Umschwung« (Engels, Umrisse, 1/505), die Überwindung der Kapitalherrschaft, notwendig. Der N als Teil der Gestaltung gesellschaftlicher Naturverhältnisse gewinnt dabei an Bedeutung, wie Forschungen und neue Konzeptionen von N seit Beginn des 21. Jh. zeigen; er muss eingebettet werden in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um eine soziale und ökologische Wende.
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