autoritärer Populismus

A: intihazīya shaʿabīya muṭlaqa. – E: authoritarian populism. – F: populisme autoritaire. – R: avtoritarnyj populizm. – S: populismo autoritario. – C: quanwei mincui zhuyi

Hans-Peter Krebs

HKWM 1, 1994, Spalten 779-784

Das Konzept des aP wurde von Stuart Hall (1978, 1982 u. 1985) ab Mitte der 1970er Jahre zur Analyse des aufkommenden Thatcherismus entwickelt. Es beansprucht, den widersprüchlichen Prozeß der Zustimmung des ›Volkes‹ für autoritäres Krisenmanagement zu erklären. Drei Theoriestränge waren für die Ausarbeitung des Konzepts von besonderer Bedeutung: Antonio Gramscis Hegemonie-Konzept, Nicos Poulantzas' Staatstheorie und Ernesto Laclaus Diskurstheorie.

Einen »Aspekt der modernen Krise«, die zum Faschismus führte, sieht Gramsci in dem, was gemeinhin »Autoritätskrise« genannt wurde: »Wenn die herrschende Klasse den Konsens verloren hat, das heißt nicht mehr ›führend‹, sondern einzig ›herrschend‹ ist, Inhaberin der reinen Zwangsgewalt, bedeutet das gerade, daß die großen Massen sich von den traditionellen Ideologien entfernt haben, nicht mehr an das glauben, woran sie zuvor glaubten usw. Die Krise besteht gerade in der Tatsache, daß das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann.« (Gef) Der Krise ›oben‹ entsprach ›unten‹ keine Alternative, so daß sich das Erkenntnisobjekt auf die Neukonstituierung der herrschenden Klassen und die Rekonstruktion hegemonialer Apparate verlegte. Die tendenzielle Vergesellschaftung der Politik führte zu einer erweiterten Staatstätigkeit. Der Staat wurde auch bei der Herausbildung des neuen Machtblocks zunehmend wichtiger. Gramsci unterscheidet dabei zwei parallele Führungsdimensionen, eine der dominanten Fraktion im Machtblock und eine Klassenhegemonie über die eigene Klasse hinaus. In dem sich ergebenden »Stellungskrieg« können sich zwei Typen des Konsenses entwickeln, ein eher passiver, transformistischer und ein aktiver, organischer. Im Fall der »passiven Revolution« tritt der Staat an die Stelle der führenden Klasse, »überwiegt die Herrschaft (Zwang) gegenüber dem Führungsmoment (Hegemonie als Organisation der Konsensbildung)« (Buci-Glucksmann 1977). Ein »organischer Konsens« beruht demgegenüber auf der Fähigkeit einer Klasse, universal zu werden und die ökonomisch-korporative Ebene zu überwinden. Gramsci entwickelt so im ersten Fall eine hegemonietheoretische Variante des Bonapartismus, im zweiten Fall nähern sich Hegemonie und Demokratie an und begünstigen den »Übergang von den geführten Gruppen zur führenden Gruppe« (Gef). Der Konsens bildet unter kapitalistischen Verhältnissen jedoch immer ein instabiles Gleichgewicht und bleibt prekär. Ist dieser »Transformismus« (Gef) aus der Perspektive des Kapitals vorübergehend eine Gegentendenz zum Fall der Profitrate, so besteht für die Arbeiterklasse in der Erweiterung des Staates eine Strategie des Übergangs.

Antagonismus, Artikulation/Gliederung, Autorität, Bonapartismus, Etatismus, Demokratie, Diskurstheorie, Faschismus, geschichtlicher Block, Hegemonie, Herrschaft, Ideologietheorie, integraler Staat, Klassenherrschaft, Klassenkompromiss, Kräfteverhältnis, Krise, Macht, Manipulation, Monopolkapital, oben/unten, passive Revolution, Paternalismus, Populismus, Rassismus, revolutionäre Realpolitik, Staat, Staatsklasse, Staatstätigkeit, Stellungskrieg/Bewegungskrieg, tendenzieller Fall der Profitrate, Transformation, Volk, Wohlfahrtsstaat, Zivilgesellschaft

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