Arbeitsbeziehungen

A: ʿalāqāt ṣināʿīya. – E: labour relations. – F: rapports de travail. – R: trudovye otnošenija. – S: relaciones laborales. – C: loadong guanxi

Walther Müller-Jentsch

HKWM 1, 1994, Spalten 497-502

Allgemein bezeichnet der Begriff A die – nach staatlichen und nicht-staatlichen Verfahrensnormen regulierten – wirtschaftlichen Austauschprozesse und sozialen Konfliktbeziehungen zwischen den Interessenvertretungen von Lohnarbeit und Kapital in einem Betrieb, einem Wirtschaftszweig oder einem Land sowie die aus den Interaktionen der beteiligten Akteure resultierenden Normen, Verträge und Institutionen zur Regelung von Arbeitsverhältnissen abhängig Beschäftigter. Als Übertragung aus dem Englischen – labour relations bzw. industrial relations – wurde der Begriff »A« bzw. »industrielle Beziehungen« in den 1960er Jahren in die westdeutsche Industriesoziologie eingeführt und später von anderen Disziplinen (Rechts- und Politikwissenschaft, Betriebswirtschaftslehre) übernommen. Versteht man darunter nicht schlichtweg die ideologische Verbrämung des Interessengegensatzes zwischen Lohnarbeit und Kapital (›Sozialpartnerschaft‹), sondern die »Institutionalisierung des Klassengegensatzes« (Geiger) im Sinne geregelter Konfliktaustragung, dann war Marx und Engels die damit bezeichnete Sache noch weitgehend unbekannt.

Die Systeme der A verdanken ihre Entstehung und Entwicklung der im kapitalistischen Lohnarbeitsverhältnis begründeten Konfliktkonstellation und sozialen Dynamik. Die periodischen Interessenkämpfe um Lohn- und Arbeitsbedingungen zwischen Arbeitskollektiven und Management, zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden erzeugten einen Konfliktregelungsbedarf, der bei den lernfähigen Akteuren des Arbeitsmarktes, einschließlich der staatlichen Instanzen, Prozesse institutioneller Innovationenen auslöste, die sich in relativ dauerhaften Kompromissstrukturen (»geronnenen Interessenkonstellationen«) niederschlugen.

Zum wissenschaftlichen Verständnis der A haben vor allem nicht-marxistische Autoren und Sozialreformer beigetragen; erst in jüngerer Zeit haben auch marxistische Wissenschaftler sich intensiver mit den A befasst. Die durch Harry Braverman ausgelöste angelsächsische Arbeitsprozess-Debatte, an der sich eine Reihe marxistischer HistorikerInnen und SozialwissenschaftlerInnen beteiligt haben, hat sich als ungemein fruchtbar für die materialistische Fundierung der A-Forschung erwiesen. In der BRD haben Sozialwissenschaftler (v.a. Industriesoziologen, daneben Politikwissenschaftler, Arbeitsrechtler und Betriebswirte) begonnen, unter Rückgriff auf ältere Arbeiten (Brentano; Briefs; Lederer/Marschak) und durch Rezeption der einschlägigen angelsächsischen Schriften, sich mit dem Gegenstandsbereich der A zu befassen (vgl. Endruweit u.a. 1985; Keller 1993; Müller-Jentsch 1986).

Arbeiterbewegung, Arbeitsmarkt, Arbeitsorganisation, Arbeitspolitik, Arbeitsprozess-Debatte, Antagonismus, Fabrik, Fordismus, Gegenmacht, Gewerkschaften, gewerkschaftliche Kampfformen, Interesse, Klassenkompromiss, Korporatismus, Liberalismus,Lohnarbeit, Macht,Management/Co-Management, Massenstreik, Mitbestimmung, Normen, Reformismus, Streik, Verelendung

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