Gegenmacht
A: sulṭa muḍadda. – E: counterpower. – F: contre-pouvoir. – R: protivnaja sila. – S: contrapoder. – C: fan quanli 反权力
Michael Hardt (TL) (I.), Hans-Joachim Sperling, Christof Ohm (II.)
HKWM 4, 1999, Spalten 1358-1362
I. Der marxistische Begriff der G basiert grundlegend auf der marxschen Konzeption von Macht als dem Ausdruck von Klasseninteressen. Ist die herrschende Macht Ausdruck der herrschenden Klasse, dann ist G Ausdruck einer subalternen oder untergeordneten Klasse. Da Bourgeoisie und Proletariat die beiden Hauptklassen sind, ergibt sich zwangsläufig ein Machtdualismus zwischen herrschender Macht der Bourgeoisie und G des Proletariats. Nicht jeder Widerstand gegen die herrschende Macht ist oder impliziert allerdings G. Der Aufbau von G ist ein Projekt; sie wird durch die Organisation des Proletariats erreicht, und man kann erst dann von einer G sprechen, wenn sie die bürgerliche Macht ernsthaft bedrohen und eine Alternative zu ihr bieten kann.
II. In den westlichen Industriegesellschaften stabilisiert sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Macht der Gewerkschaften auf dem Wege ihrer Befestigung und der Übernahme von Ordnungsfunktionen im gleichen Maße, wie die politischen Positionen revolutionärer Arbeiterparteien an Boden verlieren. Diese systemkonforme Einbindung findet in der liberal-pluralistischen Demokratietheorie bei John K. Galbraith (1956) ihren Ausdruck im Begriff der »counter-vailing power«, der das Macht-Potenzial der Gewerkschaften im organisierten Kapitalismus beschreiben soll. Galbraith vertritt später (1967) die These vom »unvermeidlichen Funktionsverlust der Gewerkschaften« in der »Industriegesellschaft«.
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