Glauben

A: al-imān. – E: faith. – F: foi; croyance. – R: vera. – S: fe. – C: xinyang 信仰

Jan Rehmann

HKWM 5, 2001, Spalten 787-808

Im deutschen Wort G sind verschiedene semantische Stränge zusammengeflossen, die andere Sprachen auseinanderhalten, z.B. belief und faith (engl.), croyance und foi (frz.). So ergibt sich ein Bedeutungsumfang, der sich von vermuten, meinen über vertrauen bis zum G der Theologie und Philosophie erstreckt. Der substantivische Gebrauch bezeichnet in der Regel eine Qualität des Religiösen, am ausgeprägtesten in der bürgerlichen Theologie, die G als »wesentliches Element des religiösen Lebens« (TRE 13), »innersubjektive Reaktion auf die Gottheit« (RGG 2) u.ä. definiert. Das HWPh beginnt den Überblick wie selbstverständlich mit dem G-Begriff der christlichen Theologie, um dann das Verhältnis der Philosophie zum »religiösen G« zu behandeln (…). Tatsächlich wird die theologische Subsumierung des G gewöhnlich entweder in dem rationalistischen Schema reproduziert, den G zusammen mit der Religion vom Standpunkt der Vernunft und der Wissenschaft zu kritisieren (z.B. Voltaire, Bacon), oder in dem moralphilosophischen Bemühen, den religiösen G und die aufgeklärte Vernunft wieder zu integrieren (z.B. Kant), schließlich auch in der Form, den religiösen G als eine menschliche Wunschprojektion zu entziffern (z.B. Feuerbach und Freud).

Die religiöse Besetzung des G ist ein ungleichzeitiges Phänomen, bei dem eine in vorbürgerlichen Zeiten unangefochtene kirchliche Hegemonie in der Moderne nachklingt. Dem sind auch Marx und Engels nicht entgangen, wenn sie den G als religiösen und im Gegensatz zu Denken und Theorie behandeln (…). Das PhWb führt unter ›G‹ den »religiösen G«, als das »durch religiöse Anschauung normierte Denken und Handeln« (…). Die Identifizierung von Religion und G hat dazu beigetragen, dass der Marxismus des 20. Jh. über eine reduktionistische Religionskritik kaum hinausgekommen ist. Eine Ausnahme bilden Antonio Gramsci und Ernst Bloch. Sie betrachten G als allgemeine Dimension gesellschaftlicher Praxis und Subjektivität, die in der Religion nur eine ihrer Formungen findet. Zu berücksichtigen ist nicht nur, dass G auch durch nicht-religiöse Ideologien geformt wird, sondern v.a., dass er als eine oppositionelle und ideologiekritische Macht auftreten kann, die den ›Subalternen‹ zu Kohärenz und Ausdauer verhilft.

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