gesund/krank
A: mu‛āfan/marīd. – E: healthy/ill. – F: sain/malade. – R: zdorov/bolen. – S: sano/enfermo. – C: jiangkang de, jianquan de/bingtai de, bujianquan de 健康的, 健全的/病态的, 不健全的
Rolf Löther (I.), Klaus Weber (II.)
HKWM 5, 2001, Spalten 669-680
I. G und k bezeichnen wichtige Erscheinungsformen des Lebendigen als Beschaffenheit der umweltbezogenen organismischen Tätigkeit. Die Krankheiten bilden eine Zone der Lebenstätigkeit, in der der Organismus unter und nach schädigenden Einwirkungen, bei Störungen des lebenden Systems, aufgrund seiner selbstregulatorischen Potenzen dem vorzeitigen Tod entgegenwirkt. Das kann mit der Wiederherstellung der Gesundheit, mit einem bedingt angepassten Zustand eingeschränkter Lebenstätigkeit (einem Leiden) oder mit dem Tod enden. Der Mensch hat diese Phänomene mit den anderen Lebewesen gemeinsam. Zugleich haben sie bei ihm Besonderheiten, die aus seiner physischen und psychischen Spezifik und zumal aus seinem geschichtlichen Gesellschaftsleben resultieren, von dem das individuelle Dasein der Menschen in Gesundheit und Krankheit abhängt. Deshalb sind g/k beim Menschen prinzipiell nicht allein naturwissenschaftlich, sondern nur in ihren biotischen, psychischen und sozialen Dimensionen und deren wechselseitigen Zusammenhängen unter ontogenetischem, ökologischem und historischem Aspekt zu begreifen.
II. Im Mittelalter wurden durch die Medizin »Mensch und Welt, Leib und Natur zwar als verschiedene, nicht aber als erforschbare Objekte wahrgenommen« (Labisch 1989). Die Perspektive, aus der ein Mensch als g oderals k bezeichnet wurde, war verbunden mit seiner Nähe zur Religion und zu Gott: »Krankheit ist eine Folge von Sünde oder eine besondere Prüfung durch Gott, Gesundheit bedeutet Gottgefälligkeit« (…). G wurde mit Leben schlechthin bzw. einem langen Leben gleichgesetzt; der Gegenbegriff dazu war der Tod, nicht k. Durch die Veränderung der Produktions- und Lebensweisen und der damit verbundenen Verschiebung des medizinischen Aufmerksamkeitsspektrums auf den menschlichen Körper als Arbeitsinstrument wurde dieser als eine Quelle von Krankheit und Gesundheit in den Blick der medizinischen Wissenschaften genommen. So nimmt etwa Paracelsus (Theophrastus B. von Hohenheim) in seine Ende des 15. Jh. entstandenen vielfältigen Krankheitsbeschreibungen auch die Staublunge der Bergarbeiter auf, deren Verursachung unbestreitbar den Arbeitsbedingungen unter Tage geschuldet war. Krankheiten entstehen für ihn durch das Eindringen äußerlicher Substanzen in den Körper, die dessen Gleichgewicht stören. Die »Öffnung von Leichen« (…) durch die anatomische Wissenschaft etablierte sich im Übergang zur Aufklärung als die entscheidende Methode, mit der erforscht werden sollte, wie der Körper funktioniert und aufgrund welcher Läsionen, Störungen oder Krankheiten es zu seinem Tode kommt. Der Tod wurde nun nicht mehr als Folge göttlicher Macht gesehen, die das Leben nimmt, sondern als Folge abnehmender Lebenskraft, die wiederum durch ein gesundheitsgerechtes Verhalten lange aufrechterhalten werden kann.
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