Legalität/Legitimität

A: aš-šar'īya. – E: legality/legitimacy. - F: légalité/légitimité. – R: legal’nost’/zakonnost’. - S: legalidad/legitimidad. – C: hefaxing 合法性

Hermann Klenner

HKWM 8/I, 2012, Spalten 800-839

Sowohl Legalität, d.h. die Übereinstimmung zwischen dem tatsächlichen Tun und Unterlassen von Menschen und Institutionen mit dem ihnen durch das in einer Gesellschaft geltende Recht vorgeschriebenen Verhalten, als auch Legitimität, d.h. das Begründet- und Gerechtfertigtsein einer praktizierten oder intendierten Herrschaftsgewalt samt deren Ordnungsreglement, gehören zu den fundamentalen Gegebenheiten aller herrschaftsförmig organisierten Gesellschaften. Sie sind auch für eine historisch-materialistische Gesellschaftstheorie und -praxis von grundlegender, sich in der Gegenwartsglobalität noch verstärkender Bedeutung.

Nach Marx sind »Regel und Ordnung […] selbst ein unentbehrliches Moment jeder Produktionsweise, die gesellschaftliche Festigkeit und Unabhängigkeit von bloßem Zufall oder Willkür annehmen soll«; insofern ein »aus den Produktionsverhältnissen selbst hervorwachsendes Gemeinwesen« aufgrund des privatisierten Produktionsmitteleigentums ein »Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnis« darstellt, liegt es »im Interesse des herrschenden Teils der Gesellschaft« – nicht aber, oder nur bedingt, ihrer anderen Teile –, »das Bestehende als Gesetz zu heiligen und seine durch Gebrauch und Tradition gegebnen Schranken als gesetzliche zu fixieren«, womit eine »relative Emanzipation von bloßer Willkür und bloßem Zufall« erwirkt wird (K III). Der Inhalt dieser allgemeinverbindlichen, erforderlichenfalls erzwingbaren Rechtsordnung – so bereits im Manifest (…) – ergibt sich aus den »materiellen Lebensbedingungen« der jeweils herrschenden Klasse, die zudem daran interessiert ist, dass ihr »zum Gesetz erhobener Wille« als den Bedürfnissen aller Klassen und Schichten der Gesellschaft gerecht werdend anerkannt und gegen diejenigen mittels staatlichen Zwanges auch durchgesetzt wird, die seinen Befolgungsanspruch nicht wenigstens nolens volens respektieren.

In der Sichtweise der materialistischen Geschichtsauffassung wird im Recht einer Gesellschaft der »Fortbestand« der sich aus den Eigentumsverhältnissen ergebenden Durchschnittsinteressen herrschender Gesellschaftsklassen als »für Alle geltend« (DI) deklariert. Die mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit formulierten Forderungen des Staates nach einem legalen Verhalten aller sind als Mittel seiner Macht, aber auch als Maß seiner Macht eingebettet in die Entwicklung der Gesellschaft (…; Manifest; …; Gotha). Deren Fortschrittsprozess kann von den jeweils geltenden, den verpflichtenden wie den berechtigenden, Rechtsnormen gehemmt, aber auch beschleunigt werden. Mit Hilfe einer Legalisierung wie einer Illegalisierung ihres Verhaltens können Menschen unterdrückt werden, aber auch sich emanzipieren, weshalb eine Legitimierung wie eine Illegitimierung von Forderungen nach Aufrechterhaltung, Veränderung oder Beseitigung von Recht und Gesetz üblicher Bestandteil der politischen Programme von Parteien aller Richtungen sind.

Aufklärung, Autorität, bürgerliche Gesellschaft, Charisma/charismatische Führung, Demokratie/Diktatur des Proletariats, Diktatur des Proletariats, falsches Bewusstsein, Feudalismus, Französische Revolution, Freiheit, Gerechtigkeit, Gesellschaftsvertrag, Gewalt, Globalisierung, GULag, Hegemonie, Herrschaft, Hierarchie, Historische Rechtsschule, Illegalität, Juristen-Sozialismus/juristische Weltanschauung, Justiz, Ketzer, Klassenjustiz, Klassenkampf, Knechtschaft, Konservatismus, Konterrevolution, Liberalismus, Macht, Marxismus-Leninismus, Menschenrechte, Moskauer Prozesse, Naturrecht, Normen, Parlamentarismus, Polizeistaat, Recht, Rechtsstaat, Revolution, Sicherheitsstaat, sozialistischer Rechtsstaat, Souveränität, Staat, Staatsmacht, Staatsräson, Staatssicherheit, Staatsterrorismus, Stalinismus, Terrorismus, Tyrannei, Unrecht, Unterdrückung, Verbrechen, Verfassung, Vernunft, Widerstandsrecht, Willkür, Zwang

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