Kriege zwischen sozialistischen Staaten
A: hurūb bain duwal ištirakiyah. – E: wars between socialist states. – F: guerres entre États socialistes. – R: vojny meždu sozialističeskimi stranami. – S: guerras entre Estados socialistas. – C: shehuizhuyi guojia jian zhanzheng 社会主义国家间战争
Pierre Rousset
HKWM 7/II, 2010, Spalten 2030-2043
Die K gehören zu den zahlreichen neuen Problemen, die sich den Marxisten in der zweiten Hälfte des 20. Jh. stellten. Die Kriege fanden wirklich statt, obwohl doch das »Absterben« der sozialistischen Staaten im Drehbuch einst vorgesehen war. Im Folgenden geht es nicht um ›das Wesen‹ dieser Staaten; das Adjektiv »sozialistisch« hat rein beschreibenden, keinen begrifflichen Charakter. Nur sieben Jahrzehnte liegen zwischen der Geburt des ersten »sozialistischen Staates« 1917 und dem Zerfall der UdSSR. Zahlreiche, sehr gewaltsame Konflikte entstanden in Russland selbst (besonders im Zuge der Stalinisierung) sowie zwischen Moskau und anderen »sozialistischen Staaten« (»Titoismus«-Vorwurf, der Bruch mit China). Doch die ersten mit Waffengewalt geführten »zwischen-staatlichen« Interventionen spielten sich innerhalb des Sowjetblocks ab: von Polen und Ungarn (1956) bis zur Tschechoslowakei (1968). Es handelte sich also eher um »interne Invasionen«, die Wiedergewinnung militärischer Kontrolle, weniger um Kriege zwischen unabhängigen Staaten.
Die Grenzstreitigkeiten in den 1960er Jahren zwischen der UdSSR und China, besonders entlang der Flüsse Amur und Ussuri, führten zu militärischen Zwischenfällen, doch der erste richtige Krieg zwischen »sozialistischen Staaten« ist der von 1978-79 zwischen Vietnam, Kambodscha und China. Zwar kam er nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, denn er gehört in die Geschichte wachsender Konflikte, die das sogenannte »sozialistische Lager« zerrissen. Doch in solcher Heftigkeit und in dieser spezifischen Form ist er der erste und auch einzige, während die Analyse von Kriegen zwischen kapitalistischen Staaten (ohne Anführungszeichen) sich auf eine große Anzahl von Fällen in allen Weltregionen und eine (relativ) lange Zeitspanne stützen kann.
Die Schwierigkeit, mit der wir konfrontiert sind, ist umso größer, als jede Auseinandersetzung eine ganze Reihe spezifischer Bestimmungen aufweist, die es nicht immer einfach machen, die allgemeineren Faktoren ans Licht zu bringen. Das gilt besonders für Indochina, wo ein Akteur auftauchte, der in der Krise dieser Region eine zentrale Rolle gespielt hat und über den man bis 1975 nahezu nichts wusste: Pol Pots Bewegung der Roten Khmer.
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