Kommunistenverfolgung
A: mulāḥaqat aš-šuyū‛iyīn. – E: persecution of communists. – F: persécution des communistes. – R: presledovanie kommunistov. – S: persecución de comunistas. – C: gongchan zhuyizhe pohai 共产主义者迫害
Wolfram Adolphi
HKWM 7/II, 2010, Spalten 1333-1354
K gibt es, seit es Träger kommunistischen Gedankengutes gibt. Schon der Chiliasmus des frühen Christentums mit seinen »Tendenzen eines praktischen Kommunismus« geriet »in Missgunst bei der offiziellen Kirche, denn er hatte immer einen revolutionären Beigeschmack, war immer eine Prophezeiung des kommenden Umsturzes der bestehenden Gesellschaft« (Kautsky 1909). Erscheinen den Herrschenden Ausbeutung und Herrschaft ernstlich gefährdet, ist Hass die Antwort. Oft ist Grausamkeit das Kennzeichen von K. So wird die »kommunistische Erhebung« der Apostelbrüder 1307 durch eine »Armee der Ausbeuter« in einem »furchtbaren Blutbad« erstickt, ihre Anführerin Margherita und ihr Anführer Dolcino werden als Ketzer gefoltert und verbrannt (…); gleiches geschieht Jan Hus 1415 und den Führern der »Kommunisten in Tabor« 1421 (…); im deutschen Bauernkrieg 1524-25 rächen sich die Fürsten an den besiegten Bauern mit »Blutgerichten« (Engels, Bauernkrieg), Thomas Müntzer, der »die Gemeinschaft aller Güter, die gleiche Verpflichtung aller zur Arbeit und die Abschaffung aller Obrigkeit« gefordert hat (…), wird gemartert und enthauptet.
Im 20. Jh. sprengt K den Rahmen der Klassenkämpfe, in dem sie sich bisher vollzogen hat. Hitler nennt am 3. Februar 1933 der Reichswehrführung sein Ziel: »Ausrottung des Marxismus mit Stumpf und Stiel« (zit.n. Dt. Geschichte, 1993). Parallel dazu, mit dem Faschismus antagonistisch verknüpft, entsteht in der SU eine historisch neue Form von K: K durch Kommunisten, zugleich durch die »neue Klasse« (Djilas 1957/1976) und in ihr. Als die SU 1939/40 den Hitler-Stalin-Pakt erfüllt und deutsche Kommunisten an Nazi-Deutschland ausliefert, sind die Grenzen zwischen faschistischer und stalinistischer K für einen Moment aufgehoben.
Dies ändert nichts an deren – wesentlichem – genealogischem Unterschied. Gleichwohl steht K, wenn es darum geht, »alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist« (KHR), in beiden Ausprägungen zur Debatte. In beiden Gesellschaftssystemen hat K ungezählte Opfer gefordert; sie verweist dabei aber auf je eigene, stadial unterschiedlich scharf artikulierte Zerstörungspotenziale, die aus Freiheits-, Kultur und Demokratiedefiziten hervorgehen. – Die Frage nach der künftigen Entwicklung der K ist auch nach dem Zusammenbruch des befehlsadministrativen Sozialismus unverändert die nach der Form der Auseinandersetzung um das Privateigentum an den Produktionsmitteln, die – wie von den Kommunisten seit je vorausgesagt – immer mehr zur Auseinandersetzung um die Grundlagen des menschlichen Daseins überhaupt wird.
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