Kopftuchstreit
A: alǧadal ḥaul al ḥiǧāb. – E: headscarf debate. – F: débat sur le foulard islamique. – R: spor o kosynke. – S: debate sobre el pañuelo. – C: toujin zhi zheng 头巾之争
Frigga Haug
HKWM 7/II, 2010, Spalten 1751-1765
In islamischen Kulturen ist der zum Kopftuch ermäßigte Schleier der Frauen lesbar als Unterwerfungszeichen, das zugleich einen gewissen Schutz gewährt. In nichtislamischen Ländern, wo das Kopftuch von Migrantinnen teils aus familiärem Zwang, teils als selbst gewollte Rückbindung an ihre Tradition getragen wird, kann es zugleich Widerstand gegen Ausgrenzung signalisieren. In den Großstädten Europas gehört es gleichsam zur ›Folklore‹ wie andere vom Variationskreis der ›allgemeinen‹ Zivilkleidung sich unterscheidende Kostüme. Zum offiziellen Problem wird es, wenn Frauen in öffentlichen Funktionen, etwa Lehrerinnen in der Schule, ein Kopftuch tragen. Einige europäische Länder nehmen daran Anstoß, weil es die geforderte Neutralität des öffentlichen Raums verletze. Im K überlagern sich Fragen der Trennung von Staat und Kirche mit solchen von Antirassismus und Frauenemanzipation; es stehen integrationistische Positionen gegen Befürworter kultureller Toleranz, fundamentalistische gegen kosmopolitische, traditionale gegen modernisierende, patriarchale gegen feministische, wobei letztere wiederum unterschiedliche Standpunkte vertreten – und all dies zudem vor dem Hintergrund der Geschichte des Kolonialismus und des ›Kampfes gegen den Terror‹ – kurz: das Terrain ist vielfach antagonistisch besetzt. Zu erkunden sind Möglichkeiten übergreifender emanzipatorischer Politik in der Perspektive eines pluralen Universalismus.
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