Klerikalfaschismus

A: fāšiyah kanasiyah. – E: clerical fascism. – F: fascisme clérical. – R: klerikal’nyj fašizm. – S: fascismo clerical. – C: shenzhipai fasisizhuyi 神职派 法四斯主义

Reinhard Kühnl (I.), Gerhard Senft (II.)

HKWM 7/I, 2008, Spalten 1003-1011

I. K ist diejenige Form des Faschismus, die sich – neben dem staatlichen Terrorapparat und den faschistischen Massenorganisationen – auch auf klerikale Eliten, Traditionen und Strukturen stützen kann und im Gegenzug darauf verzichtet, die Kirchen »gleichzuschalten« bzw. ihren Einfluss in Schule und Verbandswesen zu bekämpfen. So kam es in einer Reihe von Ländern in Ost-, Mittel- und Südeuropa zu stabilen Bündnissen zwischen dem faschistischen Staat und den Kirchen.

Diese Entwicklung begann in Italien nach dem Sieg des Faschismus im Oktober 1922. Sie wurde fortgesetzt in Portugal mit der Errichtung des »Estado Novo« 1933, in Österreich nach dem Sieg des Heimwehr-Faschismus 1934, in Spanien nach dem Militärputsch Francos 1936 und der Errichtung des frankistischen Regimes 1939, in der Slowakei 1939 und in Kroatien nach der mit Hilfe des deutschen Faschismus errichteten Ustascha-Diktatur 1941. In Ost- und Südosteuropa kam es zu einer engen Kooperation zwischen klerikalfaschistischen Kräften und dem NS-Regime. Die konkreten Formen, die die Zusammenarbeit annahm, waren bestimmt von den politischen Traditionen und Strukturen des jeweiligen Landes und der Bündnispartner. In einigen Ländern kam es zu Vereinbarungen, in denen die Formen der Zusammenarbeit und die Abgrenzung der jeweiligen Herrschaftsbereiche festgelegt wurden.

II. […] In der Weimarer Republik verwendete […] die kommunistische Linke [den Begriff] zur Charakterisierung des autoritärer werdenden Kurses des katholischen Zentrums. Die Annäherung zwischen Kirche und Faschismus wurde auch in Österreich (Bauer 1935/1979) und in verschiedenen romanischen Ländern als »klerikalfaschistisch« bezeichnet. In der Geschichtswissenschaft sprechen u.a. Fritz Fellner (1971) und Stanley G. Payne (1995) von »K«, allerdings ohne exakte Begriffsbestimmung. Eine weite Verwendung findet sich bei Karlheinz Deschner, der den Begriff nicht nur für die Verwobenheit von Kirche und Faschismus in der Zwischenkriegszeit, sondern auch überall dort in der Geschichte verwendet, wo religiöse Intoleranz besonders schwerwiegende Verbrechen gegen die Menschlichkeit hervorgebracht hat, so etwa im Zusammenhang mit der Inquisition oder den Hexenverbrennungen (1988; 2002). Demgegenüber muss eine tragfähige Definition spezifischer sein: Unter K sind all jene Regime, Bewegungen und Gruppen zu subsumieren, die im ideologischen Überschneidungsbereich von Religionsgemeinschaften und Faschismus agieren und eine Allianz bilden. Politisch relevante Ausprägungen waren historisch v.a. in verschiedenen Ländern Ostmittel- und Südosteuropas und im iberischen Raum zu finden.

Antifaschismus, Antisemitismus, autoritärer Populismus, Elite, Faschisierung, Faschismus, Faschismustheorie, Frankismus, Fundamentalismus, Glauben, Hexenverfolgung, Inquisition, Judenfeindschaft, Katho-Kommunismus, Katholizismus, Kirche, Kommunistenverfolgung, Konservatismus, Korporatismus, Liberalismus, Massenbewegung, Militärdiktatur, Militarismus, Nazismus, Rassismus, Salazarismus, Totalitarismus

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