Kompradorenklasse
A: ṭabaqat al-combradōr. – E: comprador class. – F: classe compradore. – R: klass kompradorov. – S: clase compradora. – C: maiban jieji 买办阶级
Schapour Ravasani
HKWM 7/II, 2010, Spalten 1423-1432
Der Begriff comprador ist in China im Kontakt mit portugiesischen Händlern geprägt worden. Der »von fast allen in China handeltreibenden Nationen übernommene Name« (Benecke 1922) heißt wörtlich soviel wie »Käufer«. Im Chinesischen wird er als maiban (»Erlediger der Einkäufe«) bzw. (im Norden Chinas) als lingshidi (»Führer der Geschäfte«) bezeichnet. Gemeint ist der Zwischenhändler, der als Mittelsmann im Handel Chinas mit dem Westen eine unersetzliche Rolle spielte. Er war »das Oberhaupt des chinesischen Personals einer ausländischen Firma (yanghang)«, »rekrutierte die chinesischen Arbeitskräfte, beaufsichtigte und bezahlte sie«, war »für die Beziehungen zur einheimischen Geschäftswelt zuständig«, »gewann seinem yanghang chinesische Kunden, beurteilte ihre Kreditwürdigkeit, führte die Geschäftsverhandlungen mit ihnen und bürgte für ihre Zahlungsmoral. Er kannte sich aus in dem höchst komplizierten chinesischen Währungssystem, das Fremde nur schwer durchschauten.« (Osterhammel 1989) Das gemeinsame Interesse der Kompradoren an einer Aufrechterhaltung der ungleichen Beziehungen zu den kapitalistischen Mächten erlaubt es, sie als eine soziale Gruppe zu sehen. K meint das Ensemble einheimischer Träger kolonialistischer Fremdherrschaft und Ausbeutung.
Die K garantiert die Herrschaft des ausländischen Kapitals in den Kolonien (vgl. Ravasani 1976). Im Laufe der Zeit etablierte sie sich als fester Bestandteil des kapitalistisch-imperialistischen Herrschaftssystems, dessen Interessen sie vertritt, und bildet die gesellschaftliche Basis des Kompradorenstaates. Ihre Existenz hat dazu geführt, dass die Ziele und Inhalte des innergesellschaftlichen Klassenkampfes mit denen des antiimperialistischen Kampfes verschmolzen sind.
Die Entstehung und Reproduktion der K ist fester Bestandteil der Geschichte des Kolonialismus bzw. des kapitalistischen Imperialismus. Oft wird noch immer davon ausgegangen, in den (post-)kolonialen Ländern herrsche spätestens seit deren Unabhängigkeit die klassische kapitalistische Produktionsweise. Bei der Analyse der Produktionsweise in den Kolonien und den unterentwickelt gehaltenen Ländern müssen aber die strukturellen und gesellschaftlichen Unterschiede zwischen der Nationalbourgeoisie in den kapitalistischen Ländern und der K in den Kolonien und deren unterschiedliche gesellschaftliche Wirkungen berücksichtigt werden.
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