Kapitalismen
A: ra’smaliyāt. – E: capitalisms. – F: capitalismes. – R: kapitalizmy. – S: capitalismos. – C: (zhu)zibenzhuyi (诸)资本主义
Bernd Röttger
HKWM 7/I, 2008, Spalten 227-238
Die Existenz synchron unterscheidbarer Formen des Kapitalismus ist in der marxistischen Theorietradition ein stets präsentes Thema, das aber keineswegs schon ausreichend theoretisch ausgeleuchtet ist. So bildet das Kapital und mit ihm die Strukturen und Entwicklungsgesetze einer singulären kapitalistischen Produktionsweise den eigentlichen Hauptgegenstand der marxschen KrpÖ. Analysen konkreter Entwicklungstendenzen der kapitalistischen Produktionsweise jedoch operieren mit dem Plural, als Analysen von »Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht« (K I). Das Verhältnis von herrschafts- und weltmarktvermittelter Angleichung und der Differenzierung entlang wechselnder Formen internationaler Arbeitsteilung sowie spezifischer nationaler Kräfteverhältnisse, Fragmentierungen und Kompromisse bleibt dabei unklar. Dieser Zusammenhang ist jedoch wesentlich für die Einschätzung kapitalistischer Entwicklung und politischer Eingriffmöglichkeiten. Die Pluralbildung »K«, die die unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Formen der kapitalistischen Produktionsweise zum Ausdruck bringt, findet sich bei Marx und in der marxistischen Tradition nicht.
Der Rede von »K« bzw. »varieties of capitalism« (»Spielarten des Kapitalismus«) erlangte erst im Rahmen einer institutionalistisch orientierten, weitgehend nicht-marxistischen Politischen Ökonomie einen prominenten Stellenwert. Dahinter steht die Vorstellung, dass nach 1989 der »Sieg des Kapitalismus« eine weltökonomische Konstellation entstehen ließ, die einen »neuen ideologischen Kampf« eröffnet, »den nicht mehr der Kapitalismus und der Kommunismus austragen, sondern das neo-amerikanische und das rheinische Modell des Kapitalismus« (Albert 1992). Damit wurde der Zusammenhang kapitalistischer Globalisierung dethematisiert und der Blickwinkel auf nationale Entwicklungsmodelle verengt. Intensive Rezeption erfuhren diese Konzepte, als mit der Schwächung der institutionellen Macht sowohl der politischen Organisationen der Arbeiterbewegung als auch der Gewerkschaften in den Ländern des ›rheinischen Kapitalismus‹ spätestens in den 1990er Jahren die Frage nach der Zukunft »historischer Kompromisse« zwischen Kapital und Arbeit aufgeworfen wurde.
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