Kirche der Armen
A: kanīsat al fuqarā‛. – E: church of the poor. – F: église des pauvres. – R: cerkov’ bednjakov. – S: iglesia de los pobres. – C: pinmin jiaohui 贫民教会
Bastiaan Wielenga (I.), Roland Boer (II.)
HKWM 7/I, 2008, Spalten 708-724
I. KdA ist v.a. ein Begriff der Befreiungstheologie, die seit den 1960er Jahren im Zuge der Kritik der Massenarmut primär in den Ländern der Dritten Welt – ausgehend von Lateinamerika – konzipiert wurde, aber auch in :Europa und Nordamerika Anhänger fand. Obwohl die mit ihm verbundenen hoch gespannten Hoffnungen durch Repression und ideologische Gegenoffensiven zurückgedrängt wurden, wäre es falsch, den Begriff und die mit ihm bezeichnete Perspektive ad acta zu legen. Einerseits tendiert die katholische Kirche dazu, die kapitalismuskritischen Stellungnahmen von damals zu ignorieren oder zu entschärfen, während ihre Armen in der Hoffnung auf unmittelbare Heilung und Befreiung zu den Pfingstbewegungen überlaufen. Andererseits verschärfen die neoliberalen Globalisierungsprozesse das Massenelend derart, dass in der weltweiten ökumenischen Bewegung die Bestrebungen wieder zunehmen, den Neoliberalismus als unvereinbar mit dem christlichen Glauben zu verurteilen. In mehreren Stellungnahmen, wie z.B. in der Accra-Erklärung des Reformierten Weltbundes von 2004 (Covenanting for Justice), werden Einsichten der Befreiungstheologie aktualisiert. Gerade gegenüber kirchlichen Tendenzen, die Massenarmut nur karitativ und im Rahmen von Katastrophenhilfen zu bekämpfen und dies auch noch mit dem kooptierten befreiungstheologischen Diskurs einer »vorrangigen Option für die Armen« zu rechtfertigen, orientiert die Perspektive einer KdA auf die Kooperation mit sozialen Bewegungen, wie dies z.B. im Rahmen des Weltsozialforums und von Attac geschieht. Der Begriff kann zur notwendigen Klärung der Rolle der Kirche in solchen Bündnissen beitragen.
II. In den Auseinandersetzungen zwischen den christlichen Kirchen und dem Marxismus ist der Begriff KdA heftig umstritten. Während ihn Befreiungstheologen dazu benutzen, die römisch-katholische Kirche zur Rechenschaft zu ziehen, nimmt ihn diese in Anspruch, um gegen den Marxismus nachzuweisen, im Kampf gegen die Armut eine weitaus ältere Tradition vorweisen zu können.
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