Katholizismus
A: kāṯūlīkiyah. – E: Catholicism. – F: catholicisme. – R: katolicizm. – S: catolicismo. – C: tianzhujiao jiaoyi 天主教教义
Ton Veerkamp
HKWM 7/I, 2008, Spalten 517-539
Entgegen einem weitverbreiteten Alltagsverständnis sind die Ausdrücke »katholisch« und »K« nicht mit der katholischen Kirche gleichzusetzen. Zum einen leiten sie sich vom griechischen καθόλου (im allgemeinen) her. Das hiervon abgeleitete Adjektiv καθολικός (allgemein) taucht um 110 zum ersten Mal in einem Brief des Bischofs Ignatius von Antiochien an die Christen in der Stadt Smyrna auf (Bihlmeyer 1970). Dort ist die Rede von einer »allgemeinen Versammlung« (ἐκκλησία καθολική). Εκκλησία ist die politische Versammlung von Messianisten (Christen) in den verschiedenen Städten des Reiches. Bereits in den Hauptbriefen des Paulus (zwischen 50 und 63 u.Z.) ist von lokalen Versammlungen von Christen die Rede. Im Unterschied dazu bedeutet ἐκκλησία καθολικη die »allgemeine« Versammlung von Christen. Die lokalen Versammlungen im Römischen Reich verbindet ein gemeinsamer Glaube an den Messias (Christos) Jesus. Der Begriff καθολικη verweist somit nur auf die »allgemeine« Verbreitung dieser Weltanschauung im Reich und nicht auf die Bildung einer zentralen Institution. Die gebräuchliche Übersetzung »katholische Kirche« ist daher irreführend.
Zum anderen ist der K als eigenständige Form christlich-religiöser Ideologie ein neuzeitliches Phänomen, das sich erst nach der Abspaltung der reformatorischen Kirche und in Reaktion auf sie herausbildete. In dieser Konfrontation entwickelte er sich zu einer ideologischen Formation nicht-bürgerlichen Zuschnitts, die je nach den Kräfteverhältnissen inner- und außerhalb der katholischen Kirche zwischen vorbürgerlich-feudalen und progressiv-antibürgerlichen Tendenzen schwanken kann. Dies schließt freilich nicht aus, dass der K sich mit dominanten Fraktionen der Bourgeoisie verbündet oder ihre Klassenherrschaft ideologisch abstützt. Während Marx und Engels den vorbürgerlich-feudalen Charakter des K betonen, interessiert sich Gramsci v.a. für seine Fähigkeit, eine »ideologische Einheit zwischen dem Unten und dem Oben«, zwischen »Intellektuellen« und »Einfachen« herzustellen (Gef), freilich mit dem Ziel, die Einfachen in ihrer Subalternität zu belassen
➫ Alltagsverstand, Christen für den Sozialismus, Christentum und Marxismus, Christlicher Sozialismus, christlich-marxistischer Dialog, Eigentum, Ethik, Faschismus, Feudalismus, Frankismus, Französische Revolution, Gemeinde (christliche), Glauben, Gott, Ideologietheorie, ideologische Staatsapparate/repressiver Staatsapparat, Innerlichkeit, Inquisition, Kalvinismus/Puritanismus, Katho-Kommunismus, Ketzer, Kirche, Kirche der Armen, Klerikalfaschismus, materialistische Bibellektüre, Merkantilismus, Nationalstaat, Orthodoxie, Propaganda/Agitation, Reformation, Religion, religiöse Revolutionsbewegungen, Säkularisierung, Sektierertum, Südfrage, Sozialpolitik, Theologie der Befreiung, Weltanschauung