Krise des Fordismus
A: azmat al-fordyiah. – E: crisis of Fordism. – F: crise du fordisme. – R: krizis fordizma. – S: crisis del fordismo. – C: fute zhuyi de weiji 福特主义的危机
Bernd Röttger
HKWM 7/II, 2010, Spalten 2147-2160
Der Begriff KdF entstand im Kontext der französischen Regulationstheorie. In den 1970er Jahren als Theorie ›mittlerer Reichweite‹ mit dem Ziel formuliert, relativ lange Phasen der Prosperität zu erklären, konstatierte sie zugleich die Krise einer als »Fordismus« bezeichneten Prosperitätskonstellation des Kapitalismus. Eine kohärente Krisentheorie wurde nur ansatzweise entwickelt. Gemeinhin wird die KdF nicht monokausal, sondern als Prozessresultat der Kombination unterschiedlicher ›Sphären‹ der bürgerlichen Gesellschaft analysiert – als ein Krisenprozess, in dem das fordistische »Gewebe« der Ökonomie auseinanderriss (Lipietz 1992; 1998). »Die typische Manifestation der Krise im Fordismus war, ihre Begründung in der Lohn- und Geldregulierung spiegelnd, die Stagflation. Sie wurde gewöhnlich durch ökonomische Restrukturierung und wachstumsfördernde institutionelle Veränderungen überwunden. Die finale KdF trat auf, als diese Mechanismen des Krisenmanagements zusammenbrachen.« (Jessop 2007)
Allgemein bezeichnet KdF einen Prozess krisenhafter Zuspitzung im ökonomischen System, das auf spezifische »Beschränkungen […] auf politischer Ebene gestoßen« ist (Davis 1986). Von einer KdF ist inzwischen auch weit über die Regulationstheorie hinaus die Rede. In der Internationalen Politischen Ökonomie wird sie zum Begriff für das historische Ende der doppelten, »nationalstaatlich […] und […] klassenmäßig basierten Hegemonie« (Scherrer 2003), konkret der Hegemonie der USA und des fordistischen Industriekapitals der Automobil- und Stahlindustrie. In regionalökonomischen Untersuchungen wird die KdF zum Movens der Herausbildung »regionaler Produktionskomplexe« auf der Basis von »flexibler Spezialisierung« (Piore/Sabel 1984; Storper/Scott 1989). In staatstheoretischer Perspektive erscheint sie als Krise des keynesianischen Sozial- und Wohlfahrtstaats und treibendes Moment der Durchsetzung eines »nationalen Wettbewerbsstaates« (Hirsch 1995) oder »Schumpeterian Workfare State« (Jessop 2002). In der Industriesoziologie bezeichnet sie zum einen die Startphase einer »Kette von De-Institutionalisierungsinitiativen neoliberaler Provenienz« zur Durchsetzung von »marktvermittelter Herrschaft« und ›Subjektivität‹ als neuen Stabilitätsreserven kapitalistischer Entwicklung (Bechtle/Sauer 2004). Zum anderen wird sie auf die Erosion der »Basisprinzipien fordistischer Produktion« (Deppe 2003), der Fließbandarbeit und der standardisierten Massenarbeit, aber auch der Institutionen des Systems industrieller Beziehungen zurückgeführt. Gewerkschaftspolitisch wird die KdF als Aufkündigung eines historischen Klassenkompromisses und als Beginn neuer Spaltungen der subalternen Klassen gedeutet, die die »Funktion der allgemeinen Repräsentanz und der Solidarität […], die den Gewerkschaften zugeschrieben wurde«, aushöhlten (Trentin 1999). Von einer KdF wird jedoch auch gesprochen, wenn »strukturelle Folgelasten der herrschenden Produktions- und Lebensweise« (Hirsch/Roth 1986) thematisiert werden, etwa bei den Veränderungen der Geschlechterverhältnisse oder den ökologischen Restriktionen eines kapitalistischen Entwicklungsmodells. Denn »die KdF hat […] nicht nur ökonomische und politische Ursachen, sondern beruht auch darauf, dass diese Entwicklungen mit dem Zerbröseln des ideologischen Kitts verbunden waren, der diese Gesellschaft zusammenhielt« (Hirsch 2002).
Die breite Verwendungsmöglichkeit des Begriffs, seine Übertragbarkeit auf unterschiedlichste Zusammenhänge spiegelt die Unschärfe seiner inhaltlich-konkreten Bestimmung: Weder besteht Einigkeit über den Zeitpunkt der Entstehung der KdF und über ihren ›Ausgang‹ (anhaltende Krise oder Konstitution einer neuen kapitalistischen Entwicklungsweise), noch werden die polit- und sozioökonomischen Prozesse der Übersetzung ökonomischer Krisentendenzen in politische und gesellschaftliche Umwälzungen präzise bestimmt.
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