Korsch-Linie
A: ittiǧāh Korsch. – E: Korsch School. – F: école de Korsch. – R: schkola Korscha. – S: escuela de Korsch. – C: keershi luxian 柯尔施路线
Michael Buckmiller
HKWM 7/II, 2010, Spalten 1860-1879
Die Aufnahme, Weiterentwicklung und Kritik der marxschen Theorie ist bei Karl Korsch wie bei vielen kritischen Intellektuellen seiner Generation von der geschichtlichen Aktualität der proletarischen Weltrevolution nach dem Oktober 1917 geprägt. Der spezifische Kern dieser Marx-Aneignung ist ein emanzipatorischer Aktivismus, der sich aus einem idealistischen Voluntarismus herausentwickelt, indem er die empirisch-geschichtliche Totalität in ihren Potenzialen am zeitgebundenen Anspruch reflektiert und sich – idealiter der Klasse – damit die eigene Aktion theoretisch zu Bewusstsein bringt. Daraus entstehen immer neue Fragen und Herausforderungen für die marxistische Theoriebildung. Der bürgerliche »abstrahierte Sinnzusammenhang« (Dilthey) von Theorie und Praxis ist mit theoretischen Mitteln allein nicht aufzubrechen. Revolutionäre Theorie kann Geltung im genuinen Sinne nur in revolutionären Zeiten erlangen. Gerät der aktivistisch vertretene theoretische Anspruch in Widerspruch (ökonomisch, politisch, sozial, kulturell) mit der praktisch historischen Kampfsituation, wird für die Klasse ein Lernprozess notwendig: die Selbstanwendung der revolutionären Theorie auf ihre eigene Entwicklung, die als Ausdruck nichtrevolutionärer oder falsch verstandener revolutionärer Praxis erkannt wird. Als einer der ersten durchbricht Korsch mit erkennbarem Bezug auf Ansätze bei Rosa Luxemburg die erstarrte Marx-Orthodoxie der II. Internationale durch den Versuch der methodischen Selbstreflexion, indem er die materialistische Geschichtsauffassung auf die Geschichte des Marxismus selbst anwendet. Dieses Programm der dialektischen Wiederherstellung des revolutionären Gehalts der marxschen Theorie der sozialen Revolution enthält implizit schon den theoretischen Anspruch, die materialistische Dialektik als »proletarische Wissenschaft« (Die marxsche Dialektik, 1923) mit der Notwendigkeit einer exakten empirischen Forschung in Deckung zu bringen.
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