Kommune

A: kumyunah. – E: commune. – F: commune. – R: kommuna, obšžina. – S: comuna. – C: gongshe 公社

Christian Sigrist

HKWM 7/II, 2010, Spalten 1265-1280

K von lat. communio, Teilhabe an gemeinschaftlichen Gütern, ist im Deutschen ein Äquivalent für »Gemeinde«, das auf ahd. gimeini, »mehreren abwechselnd zukommend«, zurückgeht (Brockhaus, 21.A., 2005). Sein Bedeutungskern verweist auf den »gemeinschaftlichen besitz«, »wovon es gewiss ausgegangen ist« (Grimm, Stichwort »Gemeinde«). K bezeichnet allgemein eine selbständige räumliche Einheit und damit die territoriale Gebundenheit sesshafter Gesellschaften (im Unterschied z.B. zu nomadischen Stämmen). Der Begriff umfasst ländliche wie städtische Körperschaften und wird auch auf religiöse Gemeinschaften angewandt. Städte wie Dörfer verfügten über kollektiv nutzbares Wald-, Brach- und Weideland (Allmende). Restbestände dieser Institution finden sich bis heute.

Auf Kollektiveigentum beziehen sich ideell die modernen K-Gründungen, die im räumlichen Rahmen administrativer Gemeinden nicht verwandtschaftlich definierte Wohneinheiten bilden. Sie sind also keine »Großfamilien« – schon wegen ihres meist kurzen Bestehens –, können aber eine Entlastungsfunktion für Kernfamilien erfüllen. Gemeinsames Wohnen, gemeinschaftliche Mahlzeiten, an Gleichheitskriterien orientierte Rotation in den Arbeitsfunktionen und Nähe sind Merkmale dieser Primärgruppen – typischerweise bis zu 25 erwachsene Mitglieder (Abrams/McCulloch 1976). Die K betreffende Entscheidungen werden auf egalitärer Basis beschlossen, Leitungsfunktionen werden aufgrund von Konsens übertragen, woraus sich allerdings Probleme mit »Charismatikern« oder »Patriarchen« ergeben können. Die moderne K geht aus von der Erfahrung der Vereinzelung in der kapitalistischen Gesellschaft; insofern ist ihre Gründung eine gesellschaftspolitische Entscheidung, selbst wenn es sich »nur« um den praktischen Nachweis handelt, dass es auch in der kapitalistischen Gesellschaft möglich ist, »Freundschaft zu institutionalisieren« (…).

Solche K.n werden intentional communities (I.C.) genannt – Gruppen, »deren Mitglieder in der Verfolgung eines gemeinsamen Ideals oder einer Vision zusammenarbeiten« (Metcalf/Christian 2003) und die gekennzeichnet sind durch Freiwilligkeit der Gruppenzugehörigkeit, eine alternative Lebensauffassung, ein egalitäres und nicht-herrschaftliches Selbstverständnis. Gemeinschaften in geschlossenen Institutionen oder autochthone Stammesgruppen fallen nicht in diese Kategorie, ebensowenig staatlich verordnete Kollektivbetriebe wie Kolchosen, Sowchosen und Volkskommunen. Als I.C. gelten v.a. diejenigen, die ihr Einkommen zusammenlegen, etwa die Kibbuzim, die insofern als Prototyp von Land-K.n angesehen werden können. […] Nicht alle I.C. sind also K.n. Von letzteren kann man nur dann sprechen, wenn der Einsatz gemeinsamer Ressourcen in der Perspektive der Realisierung einer egalitären Gesellschaftsordnung erfolgt. Zugleich sind K.n wie andere I.C. »Experimentierfelder für kollektive Lebensformen« (Grundmann u.a. 2006) und auf eine nachhaltige Bereitschaft zu »sozialen Innovationen« (Kunze 2009) angewiesen. […]

Anarchismus, antiautoritäre Bewegung, Bauernkrieg, Charisma/charismatische Führung, Egalitarismus, Erziehung, Feudalismus, freie Liebe, Frühsozialismus, Gemeinde (christliche), Gemeinschaft, Gemeinwesen, Genossenschaft, geschlechtsegalitäre Gesellschaften, herrschaftsfreie Gesellschaft, Kibbuz, Kinderladen, Kollektiv, Mensch-Natur-Verhältnis, neuer Mensch, Neue Soziale Bewegungen, Ökologie, Pariser Kommune, Personenkult, Republik Christiania, Sexpol, sexuelle Befreiung, soziale Bewegungen, Stadt/Land, Studentenbewegung, Unmittelbarkeitskommunismus, Urchristentum, Urkommunismus, Utopie, utopischer Sozialismus, Volkskommune, vormarxistischer Sozialismus

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