konkrete nützliche Arbeit
A: ‛amal malmūs al-fa’idah. – E: concrete useful labour. – F: travail concret et utile. – R: konkrjetnyi poleznyj trud. – S: trabajo concreto y útil. – C: juti de youyong laodong 具体的有用劳动
Frigga Haug, Wolfgang Fritz Haug
HKWM 7/II, 2010, Spalten 1523-1542
Bei der Analyse des Doppelcharakters der Arbeit fasst Marx zusammen: »Alle Arbeit ist einerseits Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinn, und in dieser Eigenschaft gleicher menschlicher oder abstrakt menschlicher Arbeit bildet sie den Warenwert. Alle Arbeit ist andrerseits Verausgabung menschlicher Arbeitskraft in besondrer zweckbestimmter Form, und in dieser Eigenschaft konkreter nützlicher Arbeit produziert sie Gebrauchswerte.« (in der franz. Ausgabe wird Marx ein »und« einfügen: »travail concret et utile«) Hier sind die einzelnen Bestimmungen im Kontext der knA schon vollständig enthalten, zugleich ist dies eine der wenigen Stellen, an denen Marx konkret und nützlich in dieser Weise aneinander stellt; an wenigen anderen Stellen setzt er zwischen die beiden Attribute ein Komma (…) oder ordnet sie in umgekehrter Reihenfolge an: »nützliche, konkrete« (…), was die formale Gleichrangigkeit der beiden Bestimmungen anzeigt.
Im Unterschied zum marxschen Sprachgebrauch hat die Verbindung ›konkret nützlich‹ – womöglich mit Bindestrich, was bei Marx nicht vorkommt – viele Generationen von Marxisten (v.a. in Werttheorie, Industriesoziologie und Arbeitsforschung) beschäftigt. Hier wird »konkret« adverbial, als Modifikation der Bestimmung »nützlich« aufgefasst. Die Zusammenfügung wirkt dann wie eine Steigerung und besondere Eigenart des Nützlichen. Die Verbindung gerinnt zum festen Term, was ihr einen schwer durchdringbaren Zauber verleiht, der davon abhält, der »nützlichen Arbeit« bei Marx in ihre Verwicklungen und Veränderungen in wechselnden Funktionszusammenhängen und unter verschiedenen Gesichtspunkten zu folgen. Der gesunde Menschenverstand tendiert vollends dazu, die Kategorie moralisch-werthaft aufzuladen und das ›gute‹ Konkrete dem ›schlechten‹ Abstrakten entgegenzusetzen. Der theoretische, analytische Charakter des marxschen Begriffs knA geht dabei verloren. Es ist daher angebracht, zunächst die unterschiedlichen Gebrauchsweisen bei Marx zu untersuchen und nach dem roten Faden zu fragen, der die Einheit in der Verschiedenheit zu fassen erlaubt.
In der Rezeption werden die marxschen Begriffe Grundlage u.a. für Debatten über das der Lohnform entspringende Moment der ›Gleichgültigkeit‹ der Lohnarbeiter gegenüber ihrer Arbeit, im Gegenzug über Qualifikation und Widerstand sowie für die feministische Kritik an der im Kapital vernachlässigten Haus-, bzw. Familien- oder Konsumarbeit – und schließlich für die immer wieder aufflammenden werttheoretischen Debatten sowie die epistemologischen Kontroversen zum Kapital und zur Kapital-Lektüre.
➫ abstrakte Arbeit, Arbeit, Arbeitsprozess-Debatte, Arbeitsteilung, Automation, Bedürfnis, Dialektik, disponible Zeit, Doppelcharakter der Arbeit, Entfremdung, Familienarbeit/Hausarbeit, Faulheit, Feminismus, Form, formelle/reelle Subsumtion, Frauenarbeitspolitik, Gebrauchswert, Geschlechterverhältnisse, Gleichgültigkeit, Hausarbeitsdebatte, Historisches/Logisches, Humanisierung der Arbeit, Industriegesellschaft, Interesse, Job, Kapital (konstantes und variables), Kontrolle, Krise, Markt, Maschinerie, Produktion, Produktionsverhältnisse, produktive Arbeit, Produktivkräfte, Qualifikationsdebatte, Standpunkt, Tauschwert, Ware, Wert, Wertformanalyse